Einer Einladung von Google für 4 Tage Silicon Valley sagt man gerne zu. Vor allem wenn sich damit die Chance verbindet, Einblicke in die innovativsten und fortschrittlichsten Maschinenräume der lokalen Suche zu bekommen. Vor kurzem war ich dann mal weg – dies ist meine Geschichte.
1. Tag: Das Ziel: San Francisco – das Herz des Silicon Valley
Wie es eben so ist – man kommt im Flieger an und begegnet nach einem freundlichen Empfang der Lufthansa Crew dem CEO eines der größten Medienunternehmen in Österreich. Und wohin geht´s – ja ebenso wie bei mir – ab nach Mountainview zu Google.
10 Minuten später nimmt zu meiner Rechten Hussein Platz. Hussein pendelt alle 4 Wochen von Genf nach San Francisco und arbeitet für einen Halbleiterhersteller – der oh Wunder – noch immer im Valley aktiv ist. Ich dachte, die seien alle weggezogen.
Ja, ja, klärt mich Hussein auf – die Produktion findet bei seinem Unternehmen schon lange nicht mehr in den Staaten statt – das passiert alles in Fernost. Die Aufgabe von Hussein ist auch nicht die Produktion sondern das M&A (Mergers & Aquisitions) Geschäft des Unternehmens nach vorne zu treiben.
Sein Job ist es, weltweit – aber eben überwiegend im Valley nach Unternehmensgründern Ausschau zu halten, die für ihn interessante Halbleiterinnovationen bieten und aktuell auch im Bereich Displaytechnologie etwas zu bieten haben.
Er erklärt mir dann auch gleich weiter, dass man im Valley aufpassen muss, schneller zu sein als die Finanzinvestoren, denn die hätten sozusagen in jedem besseren Café ihre Scouts, die coole und für ihn wichtige Innovationsprojekte abstauben.
Dann erklärt er mir, dass er die Suche nach Start-Ups nur noch mit Partnern durchführt, die auf seiner Wertschöpfungsstufe keine Wettbewerber darstellten. Das macht er, um einfach Zeit und Geld zu sparen.
Die Idee erscheint mir auch sinnvoll – passt natürlich nicht für jede Branche, aber für ihn scheint es seit 5 Jahren der richtige Weg zu sein und vor allem einer, der gegen die Mittel der Finanzinvestoren noch irgendwie machbar ist. Rd. 40% seiner Projekte sortiert er nach weniger als 3 Terminen aus, den Rest schaut er sich dann genauer an.
Derweil haben wir uns schon über die Sicherheitshinweise verquatscht und fliegen gerade über Mainz in Richtung Ozean …
Mehr verwirrt aber durchaus interessiert offenbart sich ein Sitznachbar über den Gang auch als CEO eines Medienunternehmens aus München – wohin seine Reise denn gehe – nunja : überflüssig zu erwähnen – die nächsten 2 Wochen das Silicon Valley abklappern und von den „ganz Großen“ lernen.
Am Abend noch ein privates Treffen, bei dem man mehr oder weniger per Zufall erfährt, dass es auch in dieser Familie einen Gründer gibt, der einen Google Contest gewonnen hat, und dafür eine siebenstellige Finanzierung für 2 Jahre gegen 25% der Unternehmensanteile bekommen hat. Damit schließt sich dann der Kreis für den ersten Tag Silicon Valley, der irgendwie den Charakter einer Pilgerfahrt unter Gleichgesinnten hat.
2. Tag: Wenn man wissen will, warum das Silicon Valley so erfolgreich ist, kann man auch die Taxifahrer fragen.
Wenn man wissen will, warum das Silicon Valley so erfolgreich ist, kann man auch die Taxifahrer fragen.
Jede Taxifahrt überbrücke ich mit der Frage an die oder den UBER Fahrer, warum sie denn glauben, warum das Silicon Valley in den letzten Jahren diese weltweit bewunderte digitale Vorherrschaft erreichen konnte? Die Antworten sind bis auf die Reihenfolge und persönlichen Vorlieben unisono identisch.
- Cool Environment – all these People like to live here in the Valley. Na klar – das Valley gibt es auch nicht erst seit 10 Jahren. San Francisco hat schon in den 60-igern Hippies, Querdenker und Vordenker angezogen. Dabei spielte immer auch der universitäre Hintergrund eine besondere Rolle. Haight-Ashbury hat irgendwann nicht mehr ausgereicht.
- Education – hey guy, you know, WE have the perfect education and university homebase like Stanford, Berkley or San José. Und das stimmt – die Dichte an Universitäten, die auch speziell im Technologiesektor etwas zu sagen haben, ist im Silicon Valley extrem hoch.
- Capital – you know, there are all these finance guys and VCs who push the techs with a lot of money. Ja klar. Mittlerweile sind aber eben auch die ortsansässigen Webgiganten wie Google, Microsoft, Facebook, Salesforce und andere soweit, soviel Geld in die jungen Unternehmen zu stecken, dass selbst VCs die Phantasie abhanden kommt. Die oft zitierten Unicorns lassen sich ohne milliardenschwere Fonds gar nicht mehr bewegen.
Am Nachmittag geht es dann nach meiner Ankunft in Mountainview direkt zum Google HQ. Nach einer Führung über den Googleplex mit tollen Einblicken und der Schnellanleitung, mit welcher Google DNA man hier lebt. Gegen 18 Uhr spielen draußen ein paar Entwickler Volleyball, andere spielen Fußball und wieder andere sitzen mit ihren MacBooks im Rudel auf einer Wiese und fuchteln mit Flipcharts rum.
Schnell kommen wir dort an, wo die Google-Vordenker jeden Freitag über die neuesten Firmenentwicklungen in Liveschaltung mit z.B. Tokyo und anderen weltweiten Standorten berichtet. Das klingt alles ganz selbstverständlich – und scheint in der Tat Teil der Google DNA zu sein.
Es geht viel um freies, offenes und transparentes Arbeiten. Hinter all dieser Offenheit stehen aber auch klare Erwartungen und Ziele – wer nur ein nettes Zusammenspiel von allzu altruistischen Entwicklern und Tech-Nerds vermutet, der liegt falsch. Immer wieder bekomme ich erklärt, warum und wieso etwas mit welchem Ziel verfolgt wird.
Abschließend treffe ich dann rund 50 weitere CEOs von Publishern, Digitalagenturen und Technologieanbietern aus der ganzen Welt, die ebenfalls Google SMB Partner sind zum gemeinsamen Networking. Das gegenseitige Abklopfen nach dem Stand der Digitalisierung im eigenen Unternehmen und der Austausch zu den neuesten digitalen Vermarktungstrends im jeweiligen Land machen auch den zweiten Tag Silicon Valley zu einer nachdenkenswerten Erfahrung.
3. Tag: Deep diving to Google – Treffen mit Ruth Porat (CFO von Alphabet Inc. und Google Inc.)
Der dritte Tag startet sehr früh, denn wir haben die Chance, Ruth Porat (CFO von Alphabet Inc. und Google Inc.) zum Frühstück zu treffen. Von der ersten Minute an merkt man, dass Ruth Porat voll und ganz CFO ist. Sie spricht über ihre Zeit bei Morgan Stanley – ihre Zusammenarbeit mit der Fed im Rahmen der Finanzkrise 2008 und den Learnings, die sie persönlich für sich daraus ziehen konnte.
All das mündet u.a. in die Erklärung, warum es zur Aufteilung von Google in verschiedene Unternehmensgruppen gekommen ist. Sie ist ein Freund von klaren Strukturen und perfekter Unternehmensorganisation. Daraus leitet sich ab, dass man eben das extrem gut laufende Kerngeschäft von den von ihr als Moonshoots bezeichneten Unternehmensmodellen trennen muss. Ich gewinne schnell den Eindruck, dass Ruth Porat Google gut tut, und Strukturen schaffen kann.
Auf die Frage, welche geschäftlichen Entwicklungen Google / Alphabet aktuell und in naher Zukunft am meisten bewegen, kommt ein Thema in jedem Satz zuerst: AI (artificial intelligence), AI und nochmal AI.
Dieses Thema scheint Google derzeit in jedem Winkel den Unternehmens zu beschäftigen. Ruth erklärt es so: egal, ob wir bei Google über eine bessere UX (user experience) im Kerngeschäft der Suche, die bestmögliche Anzeigenaussteuerung bei YouTube oder über selbstfahrende Autos nachdenken – AI spielt in all diesen Bereichen die entscheidende Rolle.
Ganz zum Schluss verrät sie uns dann doch noch, was ihr heimliches Lieblingsprojekt ist: es sind die „micromoments“. Unter Micromoments versteht sie die Möglichkeit, im Hier und Jetzt für den Nutzer die jeweils relevante Antwort zu liefern – noch bevor er danach fragt. Der Begriff Micromoments war bis dato auch für mich neu – sollte mir im Verlauf des Tages aber noch mehrmals begegnen.
Was folgte, waren diverse sog. Breakoutsessions, bei denen wir Gelegenheit hatten, viel über die aktuellen Trendthemen bei Google zu erfahren.
Am Nachmittag konnte ich dann noch den Vortrag „The future of local“ von Jen Fitzpatrick, VP Geo bei Google, miterleben. Sozusagen die „First Lady of Local Search“ bei Google. Man merkt gleich zu Beginn des Vortrags von Jen, dass sie ihr Produkt Google Maps liebt. Eine Milliarde lokale Suchen pro Tag, die sie mit ihrem Team über das Produkt Maps beantwortet, sind ja auch durchaus Grund zum Stolz. Und der Trend nach immer mehr sofort verfügbarer lokaler Information steigt unaufhörlich.
Ups – und da ist es wieder: AI, AI, AI. Auch Jen Fitzpatrick erklärt mit wenigen Sätzen sehr präzise, wie sie mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Machine Learning dem Nutzer alle lokal relevante Informationen in Echtzeit zur Verfügung stellen will.
Dazu nennt sie drei Bereiche, die für Google eine Rolle spielen:
- Connection: bedeutet, dass der Nutzer in und mit seiner Umgebung ständig verbunden ist – Gebiete, in die sie jetzt noch nicht kommt werden erschlossen. Punkt aus Ende. So einfach ist das wenn man Jen zuhört. Ihre Vision ist es mit „Connection“ jeden Winkel dieser Erde zu erfassen und mit den relevanten Geoinformationen zu versorgen.
- Action: es dem Nutzer ermöglichen, mit jedem Ort auf Google Maps (vorwiegend natürlich Unternehmensprofilen) interagieren zu können. Dahinter verstecken sich Interaktionen und Transaktionen wie Bestellungen, exakte Öffnungszeiten, Tischreservierungen, Trends, wann ein Museum am häufigsten besucht ist und somit auch die längsten Warteschlangen hat, uvm.
- Location: auf den jeweiligen Nutzerstandort will Google Maps alle relevanten Nutzerdaten zusammenziehen – hier warst du zuletzt vor drei Monaten. Du kannst im Anschluss auch einmal versuchen hier – oder dorthin zu gehen und heute empfehle ich Dir noch folgendes auf dem Weg anzusehen ….
Auf die Nachfrage, warum Google all diese Standortdaten nicht auch mit Social Media Daten in Echtzeit verknüpft, blitzt für Sekunden die Produktmanagerin in ihr durch: nein – das wollen wir nicht! Wir wollen den Nutzer nicht mehr mit allem Möglichen im Moment einer Entscheidung überfrachten, sondern nur das bieten, was wirklich im Kontext der Suchabsicht relevant zu sein scheint. Und da war es wieder: AI! AI wird das alles ermöglichen. Wir werden vorher wissen, was der Nutzer an diesem Ort als nächstes wünschen wird. Sie lächelt!
4. Tag: Stanford – local search und Abflug in die Heimat …
Letzter Tag – Endspurt – Stanford Campus. Hier besuche ich schnell die neu gegründete „Local Search Group“ die sich Interdisziplinär für verschiedene Studiengänge anbietet und im Kern alle Fragen um unsere zukünftige lokal digitale Lebensweise ergründet.
Spannend und extrem inspirierend! Leider bleibt zu wenig Zeit um sich tiefer in die einzelnen Projekte einzucrunchen – eines ist aber Sicher: bei meinem nächsten Besuch im kommenden Jahr, werde ich hier starten und mir etwas mehr Zeit erlauben.
Was mir auch auffällt: Die Verbindung zwischen Wirtschaft und Lehrkörper ist allgegenwärtig und gewollt. Es wird nicht abgegrenzt, wie weit die Privatwirtschaft in eine Thema reinreicht – nein: im Gegenteil, es ist sogar extrem willkommen. Ich denke, da haben wir in good old Germany echt noch einen Weg vor uns.
Meine Zusammenfassung:
Der Geist ist noch frisch und extrem inspiriert von den vergangenen 4 Tagen – deshalb gleich nach dem Start von San Francisco nach Frankfurt mache ich mich an die Tastatur und fasse meine Key-Learnings zusammen:
In dieser extrem kurzen Zeit konnte ich in dieser Hochbeschleunigungs-Humanzentrifuge namens Silicon Valley doch einiges mitnehmen bzgl. des Umgangs mit Volatilität, Unsicherheit, Doppeldeutigkeit und Komplexität.
Von Hussein habe ich gelernt, Komplexität zu reduzieren: schneller die Spreu vom Weizen trennen, auch mithilfe neuer Partner und Kooperationen. Unternehmen, die für ihn vor Jahren noch klassische Feindbilder aufgerufen hätten, sind heute Partner – in Wertschöpfungsstufen zu denken und die klassische „ich bediene alles“ Kultur abzulegen sind schon ein spannender Gedankenansatz.
Von Google nehme ich mit die enorme Bedeutung von Transparenz und Kommunikation, zu experimentieren und doch Ziele zu setzen und zu messen, so dass Erkenntnisse schnell in die Praxis umsetzbar sind. Es war für mich wirklich extrem beeindruckend, wie Google es schafft, das Kernthema und Leitbild: AI, AI und nochmal AI in jeden Winkel des Unternehmens zu tragen. Auch das Thema Local Search / Google Maps hat für Google nach wie vor höchste Priorität und ist noch lange nicht am Ende der Fahnenstange – hier konnte ich konkrete Ansatzpunkt für unser zukünftiges Local-Produktportfolio einsammeln. Die Bedeutung vom „hier-und-jetzt“ für das lokale digitale Marketing fangen bei genauerer Betrachtung sogar erst jetzt richtig an!
Konkret umsetzen und komplett durchdeklinieren werden wir in unserem Unternehmen das Thema local search, die Suche vor Ort. Local, local, local. Noch mehr lokale Serviceprodukte wie Local Bewegtbild, Local 360 Grad und Local Listing. Und natürlich Geofencing, d.h. standortbasierte dynamische Werbeprodukte.
Aus dem Networking mit CEOs von Publishern, Digitalagenturen und Technologieanbietern aus der ganzen Welt lernte ich den Wert von „Diversity“ schätzen, von Vielfalt, die Vielzahl verschiedener Blickwinkel, mit denen man dieselbe Sache betrachten kann. Die Medaille hat nicht nur zwei Seiten, sie hat heutzutage viele verschiedene. Toll zu beobachten war auch, dass die meisten „klassischen“ Publisher ihren digitalen Weg gefunden haben. Nach harten Jahren der Anpassung vom Analogen hin zum Digitalen finden sich jedenfalls beim Treffen im Silicon Valley diejenigen, die mittlerweile bei 50% digitalen Umsatzanteil und mehr angekommen sind. Das ist toll zu beobachten!
Über AI, künstliche Intelligenz, mache ich mir persönlich so meine Gedanken. Wird die neue Welt so schön und einfach sein, wie sich Google und Gleichgesinnte Silicons das vorstellen? Werden wir noch selber denken dürfen und selbstbestimmt arbeiten können?
Werden wir in der Lage sein, die freiwerdende Hirnkapazität sinnvoll und kreativ zu nutzen? Et hätt noch emmer joot jejange, wie der Kölner sagt. Und er sagt: Et bliev nix, wie et wor! Das unterschreibe ich, nur eins nicht: Et kütt wie et kütt! Das liegt in unserer Hand, es zu gestalten.